Montag, 21. Juli 03
Classic & Lights
CARMINA BURANA

Informationen:

Überblick über das Werk
Handlung
Carl Orff

Ein Überblick über das Werk:

Kein anderes Werk der klassischen Musik genießt ein so vielfältiges Publikum unterschiedlichen Musikgeschmacks wie Carl Orffs Carmina Burana.

Der Tatsache, dass er mit Carmina Burana ein außergewöhnliches Werk hervorgebracht hat, war sich Carl Orff von Anfang an bewusst – nicht nur, weil es den Komponisten mit einem Schlag bekannt machte.

Es war vielmehr jene ingeniöse Durchdringung moderner, magischer und allegorischer Sphären, in der sich der 41-jährige Komponist 1937 ganz wiederfand und welcher er durch die Verbindung von zeitgenössischer Harmonik mit Elementen mittelalterlicher Musik eine rhythmisch akzentuierte, genial adäquate Gestalt verlieh.

Für das Publikum ist Carmina Burana das populärste Werk zeitgenössischer Musik schlechthin. Der magische Sog des Rhythmus und die vielfarbige Zusammensetzung der Instrumente, darunter allerlei Schlagwerk und Klavier, erklären die Beliebtheit der Musik zu lateinischen, mittel- und althochdeutschen Liedern aus dem Kloster Benediktbeuren.

Kein Wunder, daß auch die Werbung Orffs Carmina Burana für sich entdeckt und im Gegenzug enorm zur großen aktuellen Popularität des Werkes beigetragen hat.

Die Tschechischen Symphoniker, Prag, und der Coro di Praga werden nach dem großen Erfolg ihrer vergangenen 8 Gastspielreisen ihre kommende Tournee erneut dem bekanntesten Werk des auch im Ausland sehr populären Komponisten widmen.

Die Entstehungsgeschichte von Carl Orffs szenischer Kantate Carmina Burana liegt weit länger zurück als jener Werbetrailer für Schokolade, der vor einigen Jahren mit dem Zitat des Eingangssatzes O Fortuna die „Carmina“ zumindest in rudimentärer Form auch außerhalb des klassischen Opernpublikums bekannt und fast zu einem Hit machte. 1803 wurde in der Bibliothek des Benediktinerklosters in Benediktbeuren bei München eine Sammlung von knapp 200 mittelalterlichen Gedichten und Liedern gefunden. Diese Mischung aus Mönchsdichtung und Lyrik fahrender Sänger vereinigt humoristische und derbe, christliche und heidnische Texte, die in Mittelhochdeutsch, mittelalterlichem Latein und teilweise auch in Altfranzösisch abgefasst sind. Joseph Schmeller edierte die Sammlung 1847 und gab ihr den Namen Carmina Burana – Lieder aus Benediktbeuren.

Der Komponist Carl Orff (1895–1982) fand Anfang der 30er Jahre mit seinem großen Interesse am Musiktheater und seiner Begeisterung für die Renaissance und das Mittelalter in den Carmina Burana das geeignete Material für die von ihm schon seit längerem angestrebte perfekte Verbindung von Musik und Bühne. Indem er aus der Liedersammlung zwanzig Gedichte auswählte und die Theatralik einer mittelalterlichen Prozession mit einem einfachen, kraftvollen Orchestersatz kombinierte, schuf Orff eines der populärsten Werke des modernen Musiktheaters des 20. Jahrhunderts.

Orffs „Cantiones profanae cantoribus et choris cantandae comitantibus instrumentis atque imaginibus magicis“ (Weltliche Gesänge für Soli und Chor mit Begleitung von Instrumenten und mit magischen Bildern) erlebten bei der Uraufführung am 8. Juni 1937 in Frankfurt einen überwältigenden Erfolg. „Alles was ich bisher geschrieben und Sie gedruckt haben, können Sie nun einstampfen“, teilte Orff seinem Verleger mit. Der damals 41jährige Komponist sah erst in den Carmina Burana den Beginn seines eigentlichen Werkes.

Die Carmina Burana umfassen eine Sequenz von Stimmungen und Situationen ohne Handlungsfolge. Strukturiert ist das von treibendem Rhythmus und klarem Aufbau gekenzeichnete Werk durch die Dreiteilung in die Abschnitte Frühling und draussen auf dem Anger, Im Wirtshaus und Im Hof der Liebe.

Den Rahmen für diese Aspekte irdischen Daseins bildet das Motiv des Lebensrades, eindrucksvoll umgesetzt durch den mächtigen Huldigungschor auf die Göttin Fortuna. Fortuna als Schicksalslenkerin steht gleichnishaft für die dem menschlichen Leben innewohnende Wechselhaftigkeit.

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Die Handlung:

Textliche Grundlage der 1937 mit großem Erfolg uraufgeführten szenischen Kantate Carmina Burana von Carl Orff sind Teile einer Sammlung von mittelalterlicher Mönchsdichtung und Lyrik fahrender Sänger. Diese Texte fügen sich als eine Sequenz verschiedener Aspekte menschlichen Lebens – Frühling und draußen auf dem Anger, Im Wirtshaus und Im Hof der Liebe – in eine dreiteilige Spielanlage. Bogenförmig umrahmt wird das von Orff als Kombination aus mittelalterlicher Prozession und kraftvollem Orchestersatz angelegte Werk durch einen mächtigen Huldigungschor auf die Göttin Fortuna. Das Motiv des Lebensrades symbolisiert die Wechselhaftigkeit des Schicksals.

Nach diesem vom rotierenden Rhythmus des Schicksalsrades durchdrungenen Hymnus leitet Orff zum ersten Thema der Schilderung irdischen Lebens über: Schwelgerisch besingt der Chor den Frühling, um dann in Uf dem Anger voller Spielfreude die Lebenslust der Dorfbevölkerung zu preisen.

Der zweite Teil führt das Publikum in die Schenke. In Taberna erzählt der Bariton die Lebensbeichte des Vagantendichters Archipoeta, der sich zur verkehrten Welt bekennt. Das Schicksal eines gebratenen Schwans wird im Solo des Tenors beklagt. Die Männerstimmen des Chores beschließen die Szene mit einem vielstrophigen Trinklied.

Thema des dritten Hauptteils der Carmina Burana ist der Liebeshof – Cour d’amours. Vom vor Einsamkeit klagenden Gesang der Sopranistin über das eindringliche, mit altfranzösischen Sprachfloskeln durchsetzte Werben des Baritons bis hin zum ekstatischen Chorsatz Veni, veni, venias wird hier keine Facette der Liebe ausgelassen. Cour d’amours scheint zunächst mit der von akzentuierten Tamtam-Schlägen begleiteten Anrufung der antiken Liebesgöttin Venus auszuklingen, kehrt dann aber unerwartet noch einmal zum Anfang der Kantate, zum grimmigen Anblick der Schicksalsgöttin, zurück.

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Carl Orff (1895-1982)

Carl Orff wurde am 10. Juli 1895 als Sohn einer alten bayrischen Offiziersfamilie geboren. Bereits im Alter von fünf Jahren erhält er von seiner Mutter Klavierunterricht und erfindet Geschichten für das Puppentheater. Aus Liebe zur Musik verlässt er das Gymnasium vorzeitig. Orff studiert an der Universität für Tonkunst in München Kompositionen und wird als Klavierbegleiter für Theaterproben ausgebildet.

Von 1915 bis 1917 ist er an den Münchner Kammerspielen als musikalischer Mitarbeiter tätig. Hier lernt Orff den revolutionären, expressionistischen Theaterstil des frühen Bertolt Brecht kennen, entwickelt jedoch eigenen Ideen zu den Möglichkeiten des Theaters, insbesondere eines erneuerten Musiktheaters.

Begeistert von Monteverdi und anderen Meistern der Renaissance, fasziniert von den triumphalen Prozessionen, Maskenspielen und Tänzen jener Zeit strebt Orff eine Einheit von Musik, Sprache und Bewegung an. Seine urwüchsige Musik lebt primär vom Rhythmus und ist durch einfaches musikalisches Material in Melodie, Rhythmus und Harmonik bestimmt. Charakteristisch ist das Übereinanderschichten dieser Elemente zu größeren Klangräumen.

Parallel zu Orffs Arbeiten an dieser Konzeption einer idealen Verbindung von Musik und Theater entsteht an der von ihm mitbegründeten Günther-Schule für Gymnastik, Musik und Tanz mit dem heute weltweit verbreiteten „Orffschen Schulwerk“ eine elementare Musiklehre. Das „Schulwerk“ basiert auf der Förderung des melodischen und rhythmischen Bewusstseins durch den Einsatz vieler kleiner, oft auch selbst zu fertigender Schlaginstrumente.

In der am. 8. Juni 1937 mit überwältigendem Erfolg uraufgeführten szenischen Kantate Carmina Burana gelingt Orff die perfekte Umsetzung seiner in vielen Jahren entwickelten musikalischen Prinzipien. „Alles was ich bisher geschrieben und Sie gedruckt haben, können Sie nun einstampfen. Mit Carmina Burana beginnen meine gesammelten Werke“, schrieb Orff im Anschluss an die Uraufführung seinem Verleger.

Neben mittelhochdeutscher Vagantenlyrik und in Mittellatein verfasster Mönchsdichtung – dem Material für die „Carmina“ – entstammen Orffs Bühnenstoffe der Welt des Märchens, der bayrischen Komödie und der griechischen Mythologie.

Der Komponist Carl Orff, dessen von oft einfacher Melodieführung und zugleich faszinierender Rhythmik gekennzeichneter musikalischer Stil schwer einer bestimmten Richtung der neueren Musikgeschichte zuzuordnen ist, stirbt am 29. März 1982. Die Carmina Burana, aber auch Opernwerke wie Die Kluge (1943) oder Prometheus (1968), werden weltweit mit großem Erfolg aufgeführt.

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